Dessen unbewusst habe ich bereits als Kind so gelebt und gleich neue Wurzeln geschlagen, wie hier im Wohlgefallen in Allendorf. Meine Eltern erlebten hier die
dunkelsten Tage ihres Lebens. Der Dauerstress von Krieg und Vertreibung war vorüber und hatte einer perspektivelosen Leere Platz gemacht. Sie hatten Zeit,
über ihr Elend nachzudenken. Wir Kinder hatten hier unser Paradies. Wenn es das Wetter nur irgendwie zuliess, so spielten wir im Busch. Wir gruben Bunker in
Lehmwände oder verbrachten ganze Nachmittage hoch oben in den Bäumen - ohne Netz und Fangseil. Immer wieder drehe ich mit meinem Flieger
mal eine Runde über diesem Stück alter neuer Heimat und hänge meinen Gedanken nach. Und dann sind sie wieder da, die vielen Erinnerungen,
als sei es gestern erst gewesen. Warum aber besuche ich nach 65 Jahren dieses Treffen, obwohl ich weiss, dass es mich mindestens eine Nacht den Schlaf
kosten wird. Meine Antwort lautet:
Wenn die Vergangenheit nicht verarbeitet wird, kann die Gegenwart nicht gelebt und die Zukunft nicht entworfen werden.
Das sollten alle Demokraten wissen: Man darf nicht einfach in den Tag leben unter dem Motto: Essen und Trinken gut, alles gut.
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